Forderungen zum CSD 2021

Der Christopher Street Day ist die größte Demonstration für Demokratie und Menschenrechte in Hannover.

Till Gnörich Mai 18, 2021

Der CSD.Hannover ist eine Plattform zur gemeinsamen Erhebung politischer Forderungen. Queere Communitys sind vielfältig und genauso vielfältig sind ihre Themen. Auch wenn beim CSD queere Themen im Vordergrund stehen, können diese nicht verstanden werden, ohne auch über andere Dimensionen von Diskriminierung zu sprechen, z.B. Rassismus, Misogynie, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Klassismus, Armut, Be_hindertenfeindlichkeit und viele mehr. Kein Mensch ist nur queer oder nicht queer, alle anderen Kategorien kommen ebenfalls vor und erzeugen in ihrer Verwobenheit eine je eigene Art von Diskriminierung und/oder Privilegierung.

Das versuchen wir in den hier artikulierten Forderungen deutlich zu machen. Wir als CSD-Team haben einige Gruppen und Organisationen gebeten, ihre Forderungen aufzuschreiben. Nicht alle angefragten Gruppen hatten die Kapazitäten, sich zu beteiligen. Dafür haben wir volles Verständnis. Umso dankbarer sind wir denen, die es geschafft haben. Widerspruch und Ergänzungen zu den hier formulierten Forderungen sind immer willkommen!

 

Grundsätzliches

Formuliert vom LSVD Niedersachsen-Bremen

 

Artikel 3 GG ergänzen

In Artikel 1 Grundgesetz heißt es: „Alle Menschen sind gleich“. Die Konkretisierungen im Diskriminierungsverbot und Gleichstellungsgebot finden sich in Artikel 3 unserer Verfassung. Homosexuelle wurden als einzige Opfergruppe der Nationalsozialisten 1949 hier bewusst nicht aufgenommen. Lange hatten schwule Männer und lesbische Frauen im demokratischen Nachkriegsdeutschland darunter zu leiden. Diesen Missstand gilt es zu korrigieren! Deshalb muss Artikel 3 Absatz 3 um das Merkmal der geschlechtlichen und sexuellen Identität ergänzt werden, denn nur das Grundgesetz bietet den universellen und unveränderbaren Schutz.

 

Hasskriminalität bekämpfen

Täglich werden Menschen angepöbelt, bedroht und angegriffen, weil die Täter*innen ihren Hass auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans-, intergeschlechtliche und queere Menschen ausleben. Eine demokratische Gesellschaft darf das nicht hinnehmen!

Wir fordern Gesellschaft und Politik auf, sich gegen Hass und für Gleichberechtigung und Vielfalt einzusetzen. Eine bunte und offene Gesellschaft muss gefördert, Hass und Hetze müssen geahndet und bestraft werden!

 

 

Trans* Rechte

Formuliert von Mine Wenzel

Vor gerade einmal 10 Jahren wurde die vorgeschriebene Zwangssterilisation als Voraussetzung der rechtlichen Anerkennung von trans* und abinären Personen abgeschafft. Doch noch immer besteht ein enges, gesetzliches und medizinisches Korsett für Menschen jenseits der zweigeschlechtlichen endo und cis Norm.

Noch immer werden jährlich bis zu 1700 inter*Personen zwischen 0 und 9 Jahren medizinisch nicht notwendigen Operationen unterzogen, um ihre Körper gewaltvoll zu „normalisieren“.

Noch immer müssen sich trans*, inter* und abinäre Personen erniedrigenden Gutachten und pathologisierenden Diagnosestellungen unterziehen.

Noch immer gelten Selbstbestimmung, freie Entfaltung der Persönlichkeit und Wahrung der Menschenwürde in der Bundesrepublik nur für Menschen, die cis, endo, weiß, non-disabled und finanziell gut abgesichert sind.

Noch immer streitet sich unsere Regierung darüber, ob wir überhaupt existieren, während wir eigentlich Zugang zu Bildung, Arbeit, sozialer Sicherheit und Gesundheit brauchen, statt paternalisierende Gesetze, die uns vielleicht als Ausnahmeregelung dulden.

 

Nach wie vor ist das sogenannte „Transsexuellengesetz“, als Mittel zur rechtlichen Anerkennung von trans* und abinären Personen in Kraft, auch wenn seine Bestimmungen durch eine Vielzahl an Verfahren bereits mehrfach für verfassungswidrig erklärt wurde. Darüber hinaus gilt seit Beginn des Jahres eine neue Begutachtungsanleitung des Medizinischen Dienstes, die sich auf anachronistische Weise gegen aktuelle Erkenntnisse der medizinischen und wissenschaftlichen Fachgesellschaften stellt und trans* und abinäre Menschen in der gesundheitlichen Versorgung weiter entrechtet.

Hinzu kommt, dass die Änderung des Geschlechtseintrages für inter*Personen mit der Einführung des Paragraphen 45b PStG zwar möglich, aber gleichzeitig noch immer an eine erniedrigende Atteststellung gebunden ist.

Doch auch neben Fragen der Transition oder der rechtlichen Anerkennung unserer Geschlechter werden uns Zugänge zu den Ressourcen dieser Gesellschaft verwehrt und wir werden wir von medizinischer Versorgung ausgeschlossen.
Letztlich sind es vor allem die Schwächsten und unsichtbarsten aus unseren Communities, die zusätzlich Rassismus, Antisemitismus, Klassismus und Ableismus erfahren die das am härtesten trifft: trans*Personen ohne gesicherten Aufenthaltstitel, trans*Personen im Knast, wohnungslose FLINTA, Sexarbeitende, arme und/oder geflüchtete trans*, inter* und abinäre Personen erfahren nicht nur die volle Breitseite mehrheitsgesellschaftlicher Verachtung, sondern ihnen wird auch in unseren eigenen Communities noch immer zu oft der Zutritt verwehrt.

 

Wir fordern:

Die Abschaffung des TSG.

Die umfassende Entpathologisierung jeglicher Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags.

Die Abschaffung der Personenstandseintragung durch Geschlechtszuweisung bei Geburt.

Ein Recht aufs eigene Geschlecht, nach argentinischem Vorbild, mit gesetzlich verankerter Finanzierung für selbstgewählte Transitionsmaßnahmen.

Eine Abschaffung des Zwangsapparates aus Krankenkassen und Medizinischen Diensten.

Eine Entschädigung für die bis 2011 legalen Zwangssterilisationen von trans* und abinären Personen.

Ein umfassendes Verbot aller medizinisch nicht-notwendige Operationen an inter*Personen im Kindesalter. Ärzt*innen die in der Vergangenheit inter*Körper verstümmelt haben sind rechtlich zu belangen und ihnen ist die Approbation abzuerkennen.

Wir fordern eine Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und einen uneingeschränkten Zugang zum deutschen Gesundheitssystem für Geflüchtete, sowie einen hürdenlosen Zugang zu Transitionsmaßnahmen für trans*Refugees.

Wir fordern die adäquate Unterbringung und gesundheitliche Versorgung von trans* und abinären Personen in den deutschen Gefängnissen.

Wir fordern eine Öffnung der Frauenschutzhäuser. Wohnungsloseneinrichtungen und Drogenberatungsstellen für trans*, inter* und abinäre Personen oder die Zurverfügungstellung ausreichender Alternativangebote zu bestehenden Möglichkeiten um allen die soziale Sicherheit und die Unterstützung zukommen zu lassen, die auf sie angewiesen sind.

Wir fordern die Abschaffung des sogenannten Prostituiertenschutzgesetzes, eine umfassende Entkriminalisierung von Sexarbeit und ein Ende der gezielten polizeilichen Repressionen gegen trans* Sexarbeitende.

Wir fordern die verpflichtende Einführung von Sensibilisierung und Aufklärung zu geschlechtlicher Diversität in universitären Curricula und der therapeutischen Ausbildung.

 

 

Inter* Rechte

Formuliert von Intersexuelle Menschen e.V. & Inter* in Niedersachsen (QNN)

Medizinische Eingriffe dürfen nur erfolgen, wenn einwilligungsfähige Menschen eine selbstbestimmte Entscheidung getroffen haben und sonst nicht! Endlich gibt es ein OP-Verbot an intergeschlechtlichen Kindern, endlich können sie in ihrem Körper aufwachsen.

Eine Änderung des Geschlechtseintrages ohne pathologisierende oder stigmatisierende Bescheinigungen muss jederzeit möglich ist.

 

 

Rechte queerer Geflüchteter

Formuliert von Queer Refugees Hannover

Wir fordern eine menschenwürdige Behandlung und Unterbringung von LSBTIQ+ Geflüchteten sowie eine bedarfsgerechte Finanzierung von Beratungs-, Wohn- und Hilfsangeboten.

Wir begrüßen, dass viele Städte, auch Hannover, Projekte zur sicheren Unterbringung queerer Geflüchteter geschaffen haben. Diese müssen erhalten bleiben und ausgebaut werden. Gleiches gilt für die finanzielle Unterstützung der Organisationen, die als Träger dieser Unterkünfte fungieren. Die Unterbringung muss dezentral erfolgen, da es bei einer separaten Unterbringung in einer Sammelunterkunft zum Zwangsouting und infolge dessen zu Diskriminierung kommen kann.

Verfolgung aufgrund von Homosexualität wird von der EU als Asylgrund anerkannt. Wegen ihrer Erfahrungen, aus Angst, Scham oder weil sie nicht wissen, dass sie es erwähnen dürfen, sprechen viele Geflüchtete in der Anhörung nicht darüber. Hinzu kommen grenzüberschreitende Fragen seitens des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Für die Anhörungen vor dem BAMF müssen kostenfreie, kompetente Sprachmittler*innen zur Verfügung stehen, die in LSBTIQ+ Themen geschult und sensibel sind. Asylsuchende dürfen nicht schon deshalb als unglaubwürdig eingestuft werden, weil sie bei der Glaubwürdigkeitsprüfung intime Aspekte ihres Lebens nicht offenbaren wollen. Entsprechende „Tests“ auf ihre sexuelle Orientierung lehnen wir ab.

Die medizinische, psychologische und psychosoziale Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus ist dauerhaft sicherzustellen. Menschen, die mit Geflüchteten arbeiten (in Unterkünften, Behörden usw.), müssen für die Belange von LSBTIQ sensibilisiert und geschult sein.

Ein Staat, in dem LSBTIQ+ verfolgt werden oder in dem Homosexualität unter Strafe steht, kann kein sicheres Herkunftsland sein! Die Regelungen zu sogenannten sicheren Drittstaaten müssen im Hinblick auf Sicherheit für LSBTIQ+ und Frauen im Allgemeinen sowie im Hinblick auf eine notwendige medizinische Versorgung (z.B. von HIV-Positiven) überarbeitet werden.

 

 

Männer*, die Sex mit Männern* haben; Sexualität; HIV / AIDS

Formuliert von:

CheckPoint Hannover / HAH [HIV/STI-Beratungs-/Teststelle zu sexueller Gesundheit]
Yalla sawa Projekt der Hannöverschen Aidshilfe e.V. für Queere Geflüchtete]
SVeN-Schwule Vielfalt erregt Niedersachsen – Team Hannover [Präventionsprojekt]
ICH WEISS WAS ICH TU [Präventionskampagne der Deutschen Aidshilfe e.V.]
PRO+ Netzwerk Positiv in Niedersachsen [Niedersächsisches Positiven-Netzwerk]


Forderung 1 – an die LSBTIQ*-Communities in Hannover:
Klischees, Stigmatisierungen und Vorurteile zu Sex zwischen Männern*, die Sex mit Männern* haben
[M*SM*], gegenüber Sexworker*Innen, Geflüchtete/Migrant*Innen, Menschen mit Beeinträchtigungen/Behinderungen, Drogengebraucher*Innen, HIVpositive und PrEP-User*Innen existieren auch in
LSBTIQ*-Communities. Es finden Ausgrenzungen statt auf Grund von Aussehen, Alter, sexuellen Vorlieben, HIV oder anderen Statussymbolen. Dies alles darf keine Rolle in und um Hannover spielen!
Wir fordern mehr Akzeptanz in den LSBTIQ*-Communities/-Szenen untereinander und rufen dazu auf,
stigmatisierendes Schubladendenken und ausgrenzendes Verhalten abzulegen, sich kritisch mit antiquierten sexualmoralischen Vorstellungen auseinanderzusetzen und M*SM* vorurteilsfrei in Bezug
auf ihre Lebensweisen und sexuellen Handlungen zu begegnen! Vielfalt ist mehr als nur sexy! Vielfalt
ist unsere Zukunft!

 

Forderung 2 – an die heteronormative Gesellschaft aus der Landeshauptstadt Hannover:
Nur ein offener und selbstbewusster Umgang mit der eigenen sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität kann zu adäquatem HIV/STI-Testverhalten führen, das sich wiederum auf dem Gebiet der sexuellen Gesundheit als ein Gewinn für das allgemeine Gesundheitssystem auswirken kann.
Wir fordern die heteronormative Gesellschaft auf, andere sexuelle Orientierungen und geschlechtliche
Identitäten anzuerkennen und einen wertschätzenden Umgang zu LSBTIQ*-Personen zu suchen. Wir
rufen dazu auf, sich dem Thema queer* zu öffnen und die eigenen Einstelllungen zu reflektieren,
Ängste abzubauen und den Fakt anzuerkennen, dass HIV unter Therapie nicht übertragbar ist. Dies
führt zum Abbau von Stigmatisierung und Diskriminierung!

 

Forderung 3 – an die kommunale und landesweite Politik in Hannover und Niedersachsen:
Nur durch umfassende Aufklärungsarbeit und Informationsweitergabe zu HIV/STI, hinreichende und
niedrigschwellige Zugänge zu Beratungen, Testungen, Behandlungen, Safer Sex- und Safer Use-Materialien, können die Infektionszahlen weiter reduziert werden.
Wir fordern die Politik auf, sich für kostenfreie Testungen auf HIV/STI einzusetzen und Drogengebrauchende zu entkriminalisieren. In diesem Rahmen bitten wir darum, unser geplantes Projekt „CheckPoint sexuelle Gesundheit Hannover“ als Ort für Informationen und Beratungen zu sexueller Gesundheit und für Testungen und Behandlungen von HIV/STI in Hannover ideell und finanziell zu unterstützen!

 

Forderung 4 – für ein selbstverständlich positives Leben mit HIV in und um Hannover:
Alte Bilder zu HIV sind ein Stigmatisierungsgarant, das im Jahr 2021nicht mehr zeitgemäß ist und
auch nicht länger aufrechterhalten bleiben darf!
Wir fordern HIV-positive Menschen auf, mit der eigenen HIV-Infektion reflektiert auseinander zu setzen, die Scham und das gesellschaftliche Stigma abzustreifen und einem offenen und selbstverständlichen Umgang mit der eigenen HIV-Infektion anzugewöhnen. Nur so kann HIV-bezogenes Selbststigma, Stigmatisierung und Diskriminierung ein Ende finden und ein SELBSTVERSTÄNDLICH POSITIVES Leben mit HIV ohne Angst, ohne Scham und ohne Verstecken stattfinden!

 

 

Lesbische* Identität

Formuliert von Dyke* March Hannover [Aktivistische Gruppe]

 

Mehr Sichtbarkeit der vielfältigen lesbischen* Identität

Lesbisches* Leben und damit lesbische* Sichtbarkeit hervorheben, denn je unsichtbarer wir sind, desto weniger Geltung haben wir in der Mehrheitsgesellschaft. Wir wollen, dass Lesben* in der Gesellschaft akzeptiert, stereotype Bilder von Lesben* aufgelöst werden und die vielfältige lesbische* Kultur in all ihren bunten Facetten authentisch gezeigt und zum Ausdruck gebracht wird.

 

Mehr lesbischer* Raum in der queeren Szene

Frauen* nehmt euch den Raum, seid sichtbar, vernetzt euch, zieht gemeinsam los, setzt ein Zeichen, steht für unsere Rechte ein und seid authentisch. Es gibt uns, wir wollen gesehen und gehört werden und uneingeschränkt akzeptiert werden.

 

Keine Gewalt gegen Lesben* und Frauen*

Wir stellen uns offen gegen physische und psychische Gewalt und fordern die ganze Gesellschaft dazu auf, hinzuschauen und bei der Wahrnehmung von Diskriminierung und Gewalt zu handeln. Solidarität zu zeigen ist ein wichtiges Mittel zur Gewaltprävention, deshalb sollten wir klare Signale senden, am Arbeitsplatz, auf der Straße, im privaten Umfeld und überall. Auch Beratungsstellen und Frauenhäuser sind wichtige Institutionen, die dringend Unterstützung benötigen.

 

Mehr Sichtbarkeit von Lesben* in Geschichte und Gegenwart 

Aus Mangel an Quellen, weil Frauen* aufgrund ihrer Unterdrückung selten namentlich Urheberin* eines veröffentlichten Textes waren, kommen sie in der Geschichte kaum vor. Doch es gab und gibt sie, als Ärztinnen*, Schriftstellerinnen*, Sexualwissenschaftlerinnen*, Sportlerinnen*, Sängerinnen*, Schauspielerinnen*, Wissenschaftlerinnen*, Intellektuelle*, etc.

 

Bessere Berichterstattung über Lesben* in Presse und Journalismus

Die Presse soll ein reales und positives Bild von Lesben* vermitteln. In Film, Fernsehen und Radio gibt es zu wenig lesbische* Vorbilder.

 

Reformierung des Abstammungsrechts

Gleichberechtigung bei Adoption

Besser zugängliche Reproduktionsmedizin

 

 

Queere Bildung

Formuliert von SCHLAU Hannover [Bildungs- und Aufklärungsprojekt]

Der Diskriminierung von queeren Menschen innerhalb unserer Gesellschaft muss durch eine aktive Aufklärungs- und Bildungspolitik entgegengewirkt werden. So fordern wir ein kontinuierliches Engagement des Niedersächsischen Landtags, Informationen über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, fächerübergreifend und altersgerecht in Lehrplänen und Unterrichtsmaterialien aufzunehmen. Gleichzeitig muss queere Bildung als Teil umfassender Menschenrechtsbildung in pädagogischen Aus- und Fortbildungsrichtlinien verankert werden, um vorurteils- und diversitätsbewusste Haltungen zu fördern. Unsere Lehrkräfte sind dafür verantwortlich, dass alle Schüler*innen, unabhängig ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechteridentität, in ihrer Entwicklung unterstützt und im Schulalltag nicht diskriminiert werden. Gerade homo- und trans*feindlichen Aussagen muss deutlicher widersprochen werden, damit die Ablehnung nicht in den Alltag übergreift und dort in gewalttätigen Handlungen eskaliert.

Dazu braucht es Lern- und Reflexionsräume, in der queere Geschichten erzählt und gehört werden können, um Jugendliche für Diskriminierung zu sensibilisieren. Wir fordern deshalb die nachhaltige Förderung von Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekten wie SCHLAU.

Das niedersächsische Schulgesetz legt fest, dass Schüler*innen befähigt werden sollen, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten. Wir fordern, dass dieser Bildungsauftrag im schulischen Alltag konsequent umgesetzt wird, damit Schule zu einem sicheren Ort für alle wird.

 

 

Jugend

Formuliert von QueerUnity [Hannovers Queeres Jugendzentrum]

 

Förderung von Vielfalt – Ausgrenzung bekämpfen!

Die Ablehnung nicht heteronormativer Lebensweisen ist trotz aller gesetzlichen Fortschritte weiterhin ein Problem in unserer Gesellschaft, dessen Bekämpfung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Initiativen hierzu auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene müssen in Gang gesetzt, fortgeführt und auch in Zukunft finanziell angemessen ausgestattet werden. Aber nicht nur der Staat, sondern alle gesellschaftlichen Institutionen – Stiftungen, Unternehmen, Schulen, Medien, Verbände usw. – müssen sich daran beteiligen und die Akzeptanz aktiv fördern. Insbesondere junge queere Menschen brauchen während der nach wie vor schwierigen Phase des Coming-Outs Unterstützung durch öffentliche Einrichtungen. Diese Vereine, Institutionen und Träger benötigen eine solide finanzielle Grundlage, um ihre Aufgaben in vollem Umfang erfüllen zu können.

 

Implementierung von queeren Themen in sozialen Ausbildungsberufen und Studiengängen als Pflichtmodul

Die Mehrzahl der angehenden Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit, Lehrer:innen, Erzieher:innen, etc. erfahren in ihren Ausbildungs- oder Studienjahren kaum etwas zu queeren Lebensweisen. Vielfalt und queere Identitäten müssen fest im Curriculum sozialer Berufe verankert werden. Die Konzepte der Kinder- und Jugendhilfe, Kitas, etc. sind weitestgehend binär-heteronormativ ausgelegt. Fachkräfte müssen dazu befähigt werden, auch queere Lebensweisen in Konzepten und in der Praxis mitzudenken.

 

 

Regenbogenfamilien

Formuliert von Juliane Steeger, Queerbeauftragte der Landeshauptstadt Hannover

 

Trotz der Einführung der „Ehe für alle“ besteht noch Nachholbedarf im Familienrecht.

Für Kinder, die in einer heterosexuellen Ehe geboren werden, regelt das Bürgerliche Gesetzbuch die Elternschaft bzw. die Vaterschaft von Kindern eindeutig. Das BGB legt fest, dass der Vater eines Kindes ist, wer mit der Mutter verheiratet ist; auch wenn die Ehefrau zum Beispiel durch eine künstliche Befruchtung mit fremder DNA schwanger geworden ist. Für Kinder in lesbischen Ehen gelten diese Regelungen nicht. In lesbischen Ehen müssen nicht biologische Mütter eine Stiefkindadoption durchführen, um das Sorgerecht für ihr eigenes soziales Kind zu bekommen und dabei einen teilweise erniedrigenden Prozess auf sich nehmen.

 

Diese Ungleichbehandlung ist eine strukturelle Diskriminierung per Gesetz und muss beseitigt werden.

Außerdem müssen zusätzlich Regelungen geschaffen werden um mehr als zwei Personen gleichzeitig die Elternschaft zu ermöglichen. Die rechtlichen Belange von (queeren) Patchwork Familien und Mehrelternschaft ist gesetzlich nicht anerkannt und geregelt. Es werden immer nur zwei (meist die biologischen) Elternteile eingetragen. Das bildet nicht die soziale Situation von Familien in Deutschland ab.

 

 

Ältere LSBTIQ

Formuliert vom Andersraum e.V.

Status in der Gesellschaft
Sichtbarkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft herstellen
Offenheit für die ältere LSBTIQ-Community schaffen
Berücksichtigung in Politik und politischen Entscheidungen einfordern
Wertschätzung für queeres Leben im Alter entwickeln
Einbeziehung in gesellschaftliches Leben organisieren

Leben in Stadt und Land
Vernetzung ermöglichen
Kulturelle – und Bildungsbedürfnisse berücksichtigen
Ältere LSBTIQ besonders bei Mobilitätsfragen berücksichtigen
Spezifische kulturelle Angebote anbieten

Gesundheit
Spezifische Fragen der Gesundheit identifizieren
Austausch in der queeren Community herstellen
Unterstützungsangebote organisieren
Queersensible Angebote entwickeln
Menschen mit Beeinträchtigungen berücksichtigen

Liebe
Liebe und Sexualität thematisieren und enttabuisieren
Plattformen für Begegnung schaffen
Menschen mit Beeinträchtigungen ansprechen

Freizeit
Gruppen und Vernetzung anbietenKulturelle Aktionen anbieten
Angebote für Sport und Bewegung sicherstellen
Körperliche Beeinträchtigung berücksichten

Wohnen
Gemeinschaftliches Wohnen entwickeln
Unterstützungsangebote sicherstellen
Plattformen für gemeinsames Wohnen (WG-Suche) anbieten
Körperliche Beeinträchtigung berücksichten

Pflege
Queersensible Pflegeeinrichten bzw. -angebote entwickeln
Qualifizierung für Pflegekräfte anbieten
Gegenseitige Unterstützungsmöglichkeiten schaffen
Gemeinsames Wohnen für häusliche Pflege anbieten
Körperliche Beeinträchtigung berücksichten

Sterben
Kliniken und Hospize für LSBTIQ-Menschen sensibilisieren
Spezifischen Angebote der Sterbebegleitung schaffen
Trauer- und Bestattungsbegleitung berücksichtige

 

 

Gleichbehandlung von Menschen in der Sexarbeit

Formuliert von Phoenix e.V.

Die Ungleichbehandlung der Menschen in der Sexarbeit mit anderen Erwerbstätigen sorgt weiterhin für Stigmatisierung, Diskriminierung und Ausgrenzung aller Sexarbeiter*innen. Das Prostitutionsgesetz von 2002 war ein Schritt in die richtige Richtung. Seitdem ist Sexarbeit nicht mehr sittenwidrig und der Lohn einer erbrachten Dienstleistung kann eingeklagt werden. Aber die Anerkennung von Sexarbeit als Arbeit fehlt trotzdem. Das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 allerdings führt zu einer weiteren Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen, da sie sich einem entmündigenden Anmeldeverfahren unterziehen müssen und einen Ausweis mit sich führen, der zeigt, dass sie der Sexarbeit nachgehen. Wer entscheidet, den Prostituiertenausweis nicht zu beantragen und sexuelle Dienstleistungen anbietet, hat mit Bußgeldern und Kriminalisierung zu rechnen. Dies hat nichts mit sozialer und rechtlicher Gleichstellung zu tun. Es führt auf keinen Fall zur Wertschätzung, Akzeptanz und Anerkennung dieser Berufsgruppe, obgleich in Deutschland das Recht auf freie Berufswahl besteht und somit auch Menschen in der Sexarbeit dieses Recht zusteht. Um die Gleichstellung von Sexarbeit mit anderen Erwerbstätigkeiten  zu erreichen, braucht es einerseits Aufklärung in allen Bevölkerungsschichten, um Entstigmatisierung und Antidiskriminierung voran zu treiben.  Andererseits zur Entkriminalisierung braucht es Nachbesserung von gesetzlichen Rahmenbedingungen. Des Weiteren sind unsachliche und emotionsgeladene  Debatten über ein Sexkaufverbot nicht förderlich für den Abbau von Diskriminierung und Ausgrenzung. Gerade die Coronakrise hat gezeigt, dass Sexarbeit von der Politik oft anders behandelt wird. In vielen Bundesländern mussten Sexarbeiter*innen erst durch Klagen die Öffnungen ihrer Arbeitsorte erstreiten. Seit November 2020 ist Sexarbeit wieder verboten. Sexarbeit steht als fast einzige Erwerbstätigkeit an letzter Stelle der geplanten Lockerungen.

 

  1. Wir fordern die Entkriminalisierung der Sexarbeit und Entstigmatisierung der Sexarbeiter*innen.
  2. Wir fordern die rechtliche und soziale Gleichstellung von Sexarbeitenden mit anderen Erwerbstätigen.
  3. Wir fordern die dauerhafte Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiter*innen.
  4. Wir fordern den Ausbau der Gesundheitsversorgung für Menschen in der Sexarbeit.
  5. Wir fordern eine Gleichbehandlung der Sexarbeit mit anderen körpernahen Dienstleistungen in den Corona Verordnungen.