Forderungen 2024
Die Forderungen des CSD Hannover 2024 wurden von verschiedenen Communities erarbeitet. Wir danken allen, die an der Erarbeitung mitgewirkt haben!
Der CSD.Hannover ist eine Plattform zur gemeinsamen Erhebung politischer Forderungen. Queere Communitys sind vielfältig und genauso vielfältig sind ihre Themen. Auch wenn beim CSD queere Themen im Vordergrund stehen, können diese nicht verstanden werden, ohne auch über andere Dimensionen von Diskriminierung zu sprechen, z.B. Rassismus, Misogynie, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Klassismus, Armut, Be_hindertenfeindlichkeit und viele mehr. Kein Mensch ist nur queer oder nicht queer, alle anderen Kategorien kommen ebenfalls vor und erzeugen in ihrer Verwobenheit eine je eigene Art von Diskriminierung und/oder Privilegierung.
Das versuchen wir in den hier artikulierten Forderungen deutlich zu machen. Wir als CSD-Team haben einige Gruppen und Organisationen gebeten, ihre Forderungen aufzuschreiben. Nicht alle angefragten Gruppen hatten die Kapazitäten, sich zu beteiligen. Dafür haben wir volles Verständnis. Umso dankbarer sind wir denen, die es geschafft haben. Widerspruch und Ergänzungen zu den hier formulierten Forderungen sind immer willkommen!
Grundsätzliches
Formuliert vom LSVD Niedersachsen-Bremen
Artikel 3 GG ergänzen
In Artikel 1 Grundgesetz heißt es: „Alle Menschen sind gleich“. Die Konkretisierungen im Diskriminierungsverbot und Gleichstellungsgebot finden sich in Artikel 3 unserer Verfassung. Homosexuelle wurden als einzige Opfergruppe der Nationalsozialisten 1949 hier bewusst nicht aufgenommen. Lange hatten schwule Männer und lesbische Frauen im demokratischen Nachkriegsdeutschland darunter zu leiden. Diesen Missstand gilt es zu korrigieren! Deshalb muss Artikel 3 Absatz 3 um das Merkmal der geschlechtlichen und sexuellen Identität ergänzt werden, denn nur das Grundgesetz bietet den universellen und unveränderbaren Schutz.
Hasskriminalität bekämpfen
Queerfeindliche Hasskriminalität ist bis heute nicht ausdrücklich im Gesetz benannt. Hier ist zu befürchten, dass dieses Motiv in der Praxis der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen und damit auch bei der Strafzumessung wenig Beachtung findet. Wir fordern queerfeindliche Hasskriminalität im Strafgesetz zu verankern und somit die Grundlage für die entsprechenden Strafzumessungen zu schaffen.
Trans* Rechte
Formuliert von Jonah Liebold für „LSBTI*Gesundheit“
2021 hat die Bundesregierung ihr Amt mit dem Versprechen von Selbstbestimmung und rechtlicher Anerkennung für trans*, inter* und nichtbinäre Menschen angetreten. 3 Jahre später ist das versprochenen Selbstbestimmungsgesetz immer noch nicht in Kraft und vom Grundgedanken geschlechtlicher Selbstbestimmung ist im beschlossenen Gesetzesentwurf nicht mehr viel übrig. Stattdessen adressiert dieser medial befeuerte trans*feindliche Scheinsorgen, schafft legalen Raum für trans*feindliche Diskriminierung und spricht jungen trans* Menschen ihre Entscheidungsfähigkeit ab. Wesentliche Forderungen von trans*, inter* und nichtbinären Communities bleiben weiterhin unberücksichtigt.
Zudem hat das Bundessozialgericht in diesem Jahr sein bereits im letzten Jahr getroffenes negatives Urteil zur Kostenübernahme von medizinischen Transitionsmaßnahmen für nichtbinäre Menschen begründet. Damit gibt das BSG den Leistungsanspruch für alle trans* Menschen auf medizinische Transitionsmaßnahmen auf. Dieses trans*feindliche Urteil macht eine adäquate Versorgung der Bedarfe von trans*, inter* und nichtbinären Menschen unmöglich und wird schwerwiegende bis fatale Folgen für uns haben.
Wir fordern daher die Abschaffung des TSG durch ein Gesetz, das tatsächliche geschlechtliche
Selbstbestimmung ermöglicht.
Wir fordern die Abschaffung des personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrages.
Wir fordern die Entpathologisierung von Trans*Identitäten durch das schnelle und lange überfällige Inkrafttreten der ICD-11 in Deutschland.
Wir fordern die Reform des Sozialgesetzbuches, die allen trans*, inter* und nichtbinären Menschen Zugänge zu medizinischen Transitionsmaßnahmen ermöglicht.
Wir fordern die Stärkung und den Ausbau der öffentlichen Gesundheitsversorgung, die die
spezifischen medizinischen Bedarfe aller trans*, inter* und nichtbinärer Menschen abdeckt.
Wir fordern eine tatsächliche rechtliche Selbstbestimmung für behinderte trans*, inter* und
nichtbinäre Menschen.
Inter* Rechte
Formuliert von Intergeschlechtliche Menschen Landesverband Niedersachsen e.V. & Inter* im QNN
Wir fordern:
- Konsequente Umsetzung des Gesetzes zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e BGB) – Keine Eingriffe ohne informierte Einwilligung der intergeschlechtlichen Person selbst
- Entschädigung und Rehabilitation von Menschen die von medizinisch nicht notwendigen medizinischen Maßnahmen betroffen waren
- Strukturförderung für Selbstorganisationen intergeschlechtlicher Menschen
- Schaffung von sanitären Anlagen, die einen Schutzraum für alle Menschen mit körperlichen Besonderheiten darstellen
- Statistische Erhebung der tatsächlichen Anzahl der in Niedersachsen lebenden intergeschlechtlich geborenen Menschen
- Vermittlung von geschlechtlicher Vielfalt in allen Bildungsbereichen (z.B.: frühkindliche Bildung, Schule, Hochschule, außerschulische Bildungseinrichtungen)
- Erarbeitung von Lösungen für eine gleichberechtige Teilnahme von intergeschlechtlichen Menschen im Breitensport und im Leistungssport
- Zeitnahe Schulung von Personal in Behörden und Ämtern über die aktuellen gesetzlichen Grundlagen (Änderungen des Personenstands, Namensänderungen etc.)
- Schulung von Mitarbeiter*innen in allen gesundheitlichen Einrichtungen über die Verwendung von nicht pathologisierender Sprache im medizinischen Bereich
- Gleichstellung intergeschlechtlicher Menschen im Arbeitsmarkt (inklusive entsprechender Stellenausschreibungen, Berücksichtigung bei der Arbeit von Gleichstellungsbeauftragten)
- Gleichberechtigung aller Geschlechter in der medialen Präsenz
- Berücksichtigung geschlechtlicher Vielfalt in geschriebenen und gesprochenen Texten
- Ein zügiges Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes
Rechte queerer Geflüchteter
Formuliert von Queer Refugees Hannover
Wir fordern eine menschenwürdige Behandlung und Unterbringung von LSBTIQ+ Geflüchteten sowie eine bedarfsgerechte Finanzierung von Beratungs-, Wohn- und Hilfsangeboten.
Wir begrüßen, dass viele Städte, auch Hannover, Projekte zur sicheren Unterbringung queerer Geflüchteter geschaffen haben. Diese müssen erhalten bleiben und ausgebaut werden. Gleiches gilt für die finanzielle Unterstützung der Organisationen, die als Träger dieser Unterkünfte fungieren. Die Unterbringung muss dezentral erfolgen, da es bei einer separaten Unterbringung in einer Sammelunterkunft zum Zwangsouting und infolge dessen zu Diskriminierung kommen kann.
Verfolgung aufgrund von Homosexualität wird von der EU als Asylgrund anerkannt. Wegen ihrer Erfahrungen, aus Angst, Scham oder weil sie nicht wissen, dass sie es erwähnen dürfen, sprechen viele Geflüchtete in der Anhörung nicht darüber. Hinzu kommen grenzüberschreitende Fragen seitens des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Für die Anhörungen vor dem BAMF müssen kostenfreie, kompetente Sprachmittler*innen zur Verfügung stehen, die in LSBTIQ+ Themen geschult und sensibel sind. Asylsuchende dürfen nicht schon deshalb als unglaubwürdig eingestuft werden, weil sie bei der Glaubwürdigkeitsprüfung intime Aspekte ihres Lebens nicht offenbaren wollen. Entsprechende „Tests“ auf ihre sexuelle Orientierung lehnen wir ab.
Die medizinische, psychologische und psychosoziale Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus ist dauerhaft sicherzustellen. Menschen, die mit Geflüchteten arbeiten (in Unterkünften, Behörden usw.), müssen für die Belange von LSBTIQ sensibilisiert und geschult sein.
Ein Staat, in dem LSBTIQ+ verfolgt werden oder in dem Homosexualität unter Strafe steht, kann kein sicheres Herkunftsland sein! Die Regelungen zu sogenannten sicheren Drittstaaten müssen im Hinblick auf Sicherheit für LSBTIQ+ und Frauen im Allgemeinen sowie im Hinblick auf eine notwendige medizinische Versorgung (z.B. von HIV-Positiven) überarbeitet werden.
Männer*, die Sex mit Männern* haben; Sexualität; HIV / AIDS
Formuliert von:
CheckPoint Hannover [Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit]
s*ven-sexuelle* Vielfalt erregt Niedersachsen [Präventionsteam Hannover]
Forderung 1: Für eine bunte Vielfalt in der Gesellschaft!
Wir fordern von der Gesellschaft einen vorurteilsfreien und akzeptierenden Umgang in Bezug auf andere Lebensweisen und Identitäten!
Ein Rollback in ein veraltetes Gedankengut kann nicht der Weg zu einem harmonischen Zusammenleben in der Gesellschaft sein. Moralische Bewertungen bezüglich anderer Lebensstiele und sexueller Vorlieben sind nicht zielführend. Die Vielfalt an Geschlechtern, sexuellen Orientierungen, religiösen und politischen Anschauungen, körperlichen und kognitiven Einschränkungen wie Behinderungen, Beeinträchtigungen oder chronischen Erkrankungen, aber auch Herkunft und Heimat, Sprache oder Abstammung sind Merkmale, die uns Menschen in unserer Individualität und unsere vielfältige freiheitlich-demokratische Gesellschaft ausmachen.
Forderung 2: Substanzkonsum entkriminalisieren, um die Gesundheit zu schützen!
Wir fordern die Entkriminalisierung von substanzkonsumierenden Menschen!
Zur Förderung der Gesundheit und um das Schadenspotential zu minimieren, braucht es ein politisches Umdenken und eine akzeptierende Haltung zum Substanzkonsum. Eine restriktive Drogenpolitik drängt den Konsum nur in die Verborgenheit und erschwert den Zugang zu Hilfestrukturen. Die Erfahrung zeigt, dass Kriminalisierung keine abschreckende Wirkung zeigt, sondern vielmehr gesundheitsschädlichen Konsum fördert und die Ursachen von Konsum und Sucht nicht bekämpft. Es braucht dringend eine Ausweitung schadensminimierender Ansätze, wie die Schaffung von Drug-Checking-Programmen in Bezug auf alle Substanzen, Safer Use Materialien, Substitution und Drogenkonsumräume – explizit auch in Justizvollzugsanstalten.
Forderung 3: Sexarbeit akzeptieren und entkriminalisieren!
Wir fordern die Politik auf, Sexarbeit als gesellschaftliche Realität und als Erwerbsform zu akzeptieren.
Ein Sexkaufverbot wird die Gesundheit von Menschen in der Sexarbeit nicht fördern. Das Gegenteil wird eintreten, das Zeigen Beispiele aus Ländern mit Sexkaufverbot (Beispiele: Schweden, Frankreich). Mit einem Sexkaufverbot würde sich die Rate an sexuell übertragbaren Infektionen dramatisch erhöhen, die Zahl der Minderjährigen in der Sexarbeit wird steigen und die Stigmatisierungen gegenüber Sexarbeitenden werden nochmals drastisch erhöht. Wir fordern daher die Politik auf, sich für die Sexarbeit einzusetzen und diese zu entkriminalisieren.
Forderung 4: HIV-bedingte Stigmatisierung & Diskriminierung beenden!
Wir fordern von der Gesellschaft und explizit vom Gesundheitswesen, sich in Bezug auf HIV den neusten Wissensstand anzueignen und umzusetzen!
Durch Unwissenheit verursachte Stigmatisierungen und Diskriminierungen von Menschen machen krank und führen dazu, dass sich Menschen mit HIV weiterhin selbst stigmatisieren, sich mit Scham und Schuldgefühlen plagen und sich im Gesundheitssystem nicht wohl fühlen. Das muss sich dringend zum Besseren wenden.
Forderung 5: Migration ernst nehmen und nicht exklusiv behandeln!
Wir fordern die Politik auf, Migrationspolitik als ein Bekenntnis zum Vielvölkerstaat zu gestalten!
Es ist längst eine gesellschaftliche Realität, dass sich die Bevölkerung Deutschlands aus Menschen überaus unterschiedlicher Herkunft und Kulturen zusammensetzt. Menschen flüchten nach Deutschland aufgrund von Krieg, Verfolgung, aber auch schlicht vor Armut, Elend und Hunger. Auch viele queere Menschen finden in Deutschland ein neues lebenswertes Zuhause. Je stärker wir diesen Menschen die Integration in unsere Gesellschaft erleichtern, desto schneller werden sie produktive Mitglieder unserer Gesellschaft. Wir fordern konsequente Mehrsprachigkeit in allen Bereichen und kultursensible Angebote, eine niedrigschwellige Erteilung von Arbeitserlaubnissen und einen vollen Zugang zum Gesundheitssystem.
Forderung 6: Sexuelle Gesundheit fördern und die Sicherung der Arbeit von Aidshilfen und CheckPoints in der Zukunft mitdenken!
Wir fordern die Politik auf, auch in Zukunft sexuelle Gesundheit mitzudenken und die über vier Jahrzehnten aufgebaute Arbeit von Aidshilfen und CheckPoints weiterhin zu sichern!
Wir sagen Danke für die vom Land Niedersachsen und der Region Hannover geleisteten Förderungen und wollen auch in Zukunft ein wichtiger und wertvoller Player auf dem Gebiet der sexuellen Gesundheit für die zielgruppenspezifische Aufklärungsarbeit sein. Dazu braucht es eine auch in Zukunft abgesicherte progressive Förderung unserer Arbeit. Wir fordern zudem den Abbau von unnötiger Bürokratie bei der Beantragung und Bewilligung von Zuwendungen.
Lesbische* Identität
Formuliert von Dyke* March Hannover [Aktivistische Gruppe]
Mehr Sichtbarkeit der vielfältigen lesbischen* Identität
Lesbisches* Leben und damit lesbische* Sichtbarkeit hervorheben, denn je unsichtbarer wir sind, desto weniger Geltung haben wir in der Mehrheitsgesellschaft. Wir wollen, dass Lesben* in der Gesellschaft akzeptiert, stereotype Bilder von Lesben* aufgelöst werden und die vielfältige lesbische* Kultur in all ihren bunten Facetten authentisch gezeigt und zum Ausdruck gebracht wird.
Mehr lesbischer* Raum in der queeren Szene
Frauen* nehmt euch den Raum, seid sichtbar, vernetzt euch, zieht gemeinsam los, setzt ein Zeichen, steht für unsere Rechte ein und seid authentisch. Es gibt uns, wir wollen gesehen und gehört werden und uneingeschränkt akzeptiert werden.
Keine Gewalt gegen Lesben* und Frauen*
Wir stellen uns offen gegen physische und psychische Gewalt und fordern die ganze Gesellschaft dazu auf, hinzuschauen und bei der Wahrnehmung von Diskriminierung und Gewalt zu handeln. Solidarität zu zeigen ist ein wichtiges Mittel zur Gewaltprävention, deshalb sollten wir klare Signale senden, am Arbeitsplatz, auf der Straße, im privaten Umfeld und überall. Auch Beratungsstellen und Frauenhäuser sind wichtige Institutionen, die dringend Unterstützung benötigen.
Mehr Sichtbarkeit von Lesben* in Geschichte und Gegenwart
Aus Mangel an Quellen, weil Frauen* aufgrund ihrer Unterdrückung selten namentlich Urheberin* eines veröffentlichten Textes waren, kommen sie in der Geschichte kaum vor. Doch es gab und gibt sie, als Ärztinnen*, Schriftstellerinnen*, Sexualwissenschaftlerinnen*, Sportlerinnen*, Sängerinnen*, Schauspielerinnen*, Wissenschaftlerinnen*, Intellektuelle*, etc.
Bessere Berichterstattung über Lesben* in Presse und Journalismus
Die Presse soll ein reales und positives Bild von Lesben* vermitteln. In Film, Fernsehen und Radio gibt es zu wenig lesbische* Vorbilder.
Reformierung des Abstammungsrechts
Gleichberechtigung bei Adoption
Besser zugängliche Reproduktionsmedizin
Queere Bildung
Formuliert von SCHLAU Hannover [Bildungs- und Aufklärungsprojekt]
Der Diskriminierung von queeren Menschen innerhalb unserer Gesellschaft muss durch eine aktive Aufklärungs- und Bildungspolitik entgegengewirkt werden. So fordern wir ein kontinuierliches Engagement des Niedersächsischen Landtags, Informationen über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, fächerübergreifend und altersgerecht in Lehrplänen und Unterrichtsmaterialien aufzunehmen. Gleichzeitig muss queere Bildung als Teil umfassender Menschenrechtsbildung in pädagogischen Aus- und Fortbildungsrichtlinien verankert werden, um vorurteils- und diversitätsbewusste Haltungen zu fördern. Unsere Lehrkräfte sind dafür verantwortlich, dass alle Schüler*innen, unabhängig ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechteridentität, in ihrer Entwicklung unterstützt und im Schulalltag nicht diskriminiert werden. Den zunehmenden queerfeindlichen Haltungen und Aussagen in unserer Gesellschaft und in den Schulen muss deutlicher widersprochen werden, damit die Ablehnung nicht in den Alltag übergreift und dort in gewalttätigen Handlungen eskaliert.
Dazu braucht es Lern- und Reflexionsräume, in der queere Geschichten erzählt und gehört werden können, um Jugendliche für Diskriminierung zu sensibilisieren. Wir fordern deshalb die nachhaltige Förderung von Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekten wie SCHLAU.
Das niedersächsische Schulgesetz legt fest, dass Schüler*innen befähigt werden sollen, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten. Wir fordern, dass dieser Bildungsauftrag im schulischen Alltag konsequent umgesetzt wird, damit Schule zu einem sicheren Ort für alle wird.
Jugend
Formuliert von QueerUnity [Hannovers Queeres Jugendzentrum]
Förderung von Vielfalt – Ausgrenzung bekämpfen!
Die Ablehnung nicht heteronormativer Lebensweisen ist trotz aller gesetzlichen Fortschritte weiterhin ein Problem in unserer Gesellschaft, dessen Bekämpfung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Initiativen hierzu auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene müssen in Gang gesetzt, fortgeführt und auch in Zukunft finanziell angemessen ausgestattet werden. Aber nicht nur der Staat, sondern alle gesellschaftlichen Institutionen – Stiftungen, Unternehmen, Schulen, Medien, Verbände usw. – müssen sich daran beteiligen und die Akzeptanz aktiv fördern. Insbesondere junge queere Menschen brauchen während der nach wie vor schwierigen Phase des Coming-Outs Unterstützung durch öffentliche Einrichtungen. Diese Vereine, Institutionen und Träger benötigen eine solide finanzielle Grundlage, um ihre Aufgaben in vollem Umfang erfüllen zu können.
Implementierung von queeren Themen in sozialen Ausbildungsberufen und Studiengängen als Pflichtmodul
Die Mehrzahl der angehenden Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit, Lehrer:innen, Erzieher:innen, etc. erfahren in ihren Ausbildungs- oder Studienjahren kaum etwas zu queeren Lebensweisen. Vielfalt und queere Identitäten müssen fest im Curriculum sozialer Berufe verankert werden. Die Konzepte der Kinder- und Jugendhilfe, Kitas, etc. sind weitestgehend binär-heteronormativ ausgelegt. Fachkräfte müssen dazu befähigt werden, auch queere Lebensweisen in Konzepten und in der Praxis mitzudenken.
Regenbogenfamilien
Formuliert von Juliane Steeger, Queerbeauftragte der Landeshauptstadt Hannover
Trotz der Einführung der „Ehe für alle“ besteht noch Nachholbedarf im Familienrecht.
Für Kinder, die in einer heterosexuellen Ehe geboren werden, regelt das Bürgerliche Gesetzbuch die Elternschaft bzw. die Vaterschaft von Kindern eindeutig. Das BGB legt fest, dass der Vater eines Kindes ist, wer mit der Mutter verheiratet ist; auch wenn die Ehefrau zum Beispiel durch eine künstliche Befruchtung mit fremder DNA schwanger geworden ist. Für Kinder in lesbischen Ehen gelten diese Regelungen nicht. In lesbischen Ehen müssen nicht biologische Mütter eine Stiefkindadoption durchführen, um das Sorgerecht für ihr eigenes soziales Kind zu bekommen und dabei einen teilweise erniedrigenden Prozess auf sich nehmen.
Diese Ungleichbehandlung ist eine strukturelle Diskriminierung per Gesetz und muss beseitigt werden.
Außerdem müssen zusätzlich Regelungen geschaffen werden um mehr als zwei Personen gleichzeitig die Elternschaft zu ermöglichen. Die rechtlichen Belange von (queeren) Patchwork Familien und Mehrelternschaft ist gesetzlich nicht anerkannt und geregelt. Es werden immer nur zwei (meist die biologischen) Elternteile eingetragen. Das bildet nicht die soziale Situation von Familien in Deutschland ab.
Ältere LSBTIQ
Formuliert vom Andersraum e.V.
Status in der Gesellschaft
Sichtbarkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft herstellen
Offenheit für die ältere LSBTIQ-Community schaffen
Berücksichtigung in Politik und politischen Entscheidungen einfordern
Wertschätzung für queeres Leben im Alter entwickeln
Einbeziehung in gesellschaftliches Leben organisieren
Leben in Stadt und Land
Vernetzung ermöglichen
Kulturelle – und Bildungsbedürfnisse berücksichtigen
Ältere LSBTIQ besonders bei Mobilitätsfragen berücksichtigen
Spezifische kulturelle Angebote anbieten
Gesundheit
Spezifische Fragen der Gesundheit identifizieren
Austausch in der queeren Community herstellen
Unterstützungsangebote organisieren
Queersensible Angebote entwickeln
Menschen mit Beeinträchtigungen berücksichtigen
Liebe
Liebe und Sexualität thematisieren und enttabuisieren
Plattformen für Begegnung schaffen
Menschen mit Beeinträchtigungen ansprechen
Freizeit
Gruppen und Vernetzung anbieten
Kulturelle Aktionen anbieten
Angebote für Sport und Bewegung sicherstellen
Körperliche Beeinträchtigung berücksichten
Wohnen
Gemeinschaftliches Wohnen entwickeln
Unterstützungsangebote sicherstellen
Plattformen für gemeinsames Wohnen (WG-Suche) anbieten
Körperliche Beeinträchtigung berücksichten
Pflege
Queersensible Pflegeeinrichten bzw. -angebote entwickeln
Qualifizierung für Pflegekräfte anbieten
Gegenseitige Unterstützungsmöglichkeiten schaffen
Gemeinsames Wohnen für häusliche Pflege anbieten
Körperliche Beeinträchtigung berücksichten
Sterben
Kliniken und Hospize für LSBTIQ-Menschen sensibilisieren
Spezifischen Angebote der Sterbebegleitung schaffen
Trauer- und Bestattungsbegleitung berücksichtigen
Gleichbehandlung von Menschen in der Sexarbeit
Formuliert von Phoenix e.V.
- Wir fordern die Entkriminalisierung der Sexarbeit und Entstigmatisierung der Sexarbeiter*innen.
- Wir fordern die rechtliche und soziale Gleichstellung von Sexarbeitenden mit anderen Erwerbstätigen.
- Wir fordern die dauerhafte Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiter*innen.
- Wir fordern den Ausbau der Gesundheitsversorgung für Menschen in der Sexarbeit.
Sport
Formuliert von SLS Leinebagger e.V.
Viele LSBTIQ*-Menschen sind in Sportvereinen aktiv. Nicht alle von ihnen nutzen dabei die Angebote aus der queeren Community, da diese auch nicht flächendeckend vorhanden sind. In vielen Fällen ist es so, dass LSBTIQ*-Menschen, die im hetero-normativen Breitensport oder auch Fitnessstudios aktiv sind, sich anderen gegenüber nicht outen aus Angst vor Diskriminierung.
Trans- und intergeschlechtliche Menschen haben meist noch höhere Hürden zu meistern, da viele Sporteinrichtungen wenig bis gar nicht auf ihre besonderen Bedürfnisse eingestellt sind. Trans- und intergeschlechtliche Menschen haben oft Hemmungen sich in Sportvereinen und Gruppen zu beteiligen. Dies liegt zum Teil daran, dass die Sportstätten nicht für ihre Bedürfnisse ausgelegt sind. Wir fordern die Umsetzung von baulichen Maßnahmen, wie adäquate Umkleiden, Dusch- und WC-Anlagen, um auch trans- und intergeschlechtlichen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich im Sport frei entfalten zu können.
Trainer:innen und Vorstände von Vereinen sind häufig nicht für die Bedürfnisse von LSBTIQ*-Menschen sensibilisiert. Nicht nur, allerdings gerade im Bereich Jugend und Sport ist hier jedoch ein gewisses Gefühl für die unterschiedlichen Lebensweisen unabdingbar. Wir fordern, dass Weiterbildungen zu den Themen “sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ für Trainer:innen und Vorstände verpflichtend werden.
Im November 2020 wurden auf der Sportministerkonferenz (SMK) verschiedene Beschlüsse mit weitreichenden Empfehlungen zum Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt gefasst. Wir fordern, dass diese Empfehlungen der SMK für alle Sportvereine und -verbände in Niedersachsen verpflichtend werden.